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  • AutorenbildKatharina Mader & Sophie Achleitner

Und ewig grüßt die Lohnlücke

Ein Beitrag von Katharina Mader und Sophie Achleitner, Ökonom:innen des Momentum Instituts


Foto von Getty Images auf Unsplash


Am 14. Februar fand der „Equal Pay Day“ statt. Das ist jener Tag, bis zu dem vollzeitbeschäftigte Frauen in Österreich seit Jahresbeginn statistisch gesehen unbezahlt arbeiten. Auch der Weltfrauentag am 8. März macht auf die fehlende Gleichstellung und Einkommensungleichheit von Frauen aufmerksam. Gründe für die Lohnschere gibt es viele. Erklären können wir mittels statistischer Methoden aber nur etwa 30 Prozent des Gender Pay Gaps (GPG), der Lohnlücke zwischen Männern und Frauen. Selbst wenn wir Alter, Beruf, Ausbildung, Branche oder Erwerbsausmaß herausrechnen, bleiben 70 Prozent der Lücke unerklärt [2].

 

Wie groß ist die Lücke?

 

Je nachdem welche Daten und Bemessungsgrundlagen wir heranziehen, ergeben sich unterschiedliche Equal Pay Days und GPGs. Bei den Vollzeitbeschäftigten beträgt die Lücke 12,4 Prozent. Rechnen wir auch Teilzeitbeschäftigte hinein, klafft die Lohnlücke schon bei 35 Prozent – hier arbeiten Frauen dann satte 128 Tage im Jahr unbezahlt. Getan hat sich wenig: Im letzten Vierteljahrhundert haben wir den Gap lediglich um drei Prozent reduziert. Bleiben wir bei diesem Tempo, brauchen wir noch 300 Jahre, um die Einkommensgleichheit zu erreichen.

 

Das Märchen der Berufswahl

 

„Augen auf bei der Berufswahl“ oder „Frauen in die MINT-Berufe“ hören wir besonders oft als Rat, wenn es um die Lohnlücke geht. Würden Frauen die „richtigen“ Ausbildungsfelder und Berufe wählen, dann würden sie auch nicht so schlecht bezahlt bekommen. Am GPG sind die Friseurinnen mit ihrer Berufswahl eben selbst schuld. Das stimmt so nicht ganz: Die „Abwertungstheorie“ besagt, die Arbeit von Frauen hat einen niedrigeren Stellenwert. Drängen mehr Frauen in einen Beruf oder eine Branche, dann sinkt dort der Lohn. Berufe, in denen überdurchschnittlich viele Frauen arbeiten, werden strukturell schlechter bezahlt als männlich-dominiert Berufe [3], dabei sind sie oft systemrelevant. Daraus resultiert, dass es viel mehr gut bezahlte „Männerbranchen und -berufe“ gibt, als gut bezahlte „Frauenbranchen“. Von 36 gut bezahlten Branchen sind 29 männlich dominiert, lediglich sieben haben einen höheren Frauenanteil. Auf eine gut bezahlte Frauenbranche kommen somit vier Männerbranchen [1].

 

Lohnlücke trotz richtiger Berufswahl

 

Aber selbst, wenn Frauen in die gut bezahlten ‘Männerbranchen’ wechseln, schließt sich die Lohnlücke nicht. Der GPG ist dort nämlich mitunter am größten, wie eine Studie zu Lohnunterschieden zwischen jungen Uni-Absolvent:innen in Deutschland zeigt [4]. Die Absolvent:innen sind so jung, dass meist keine Kinder im Spiel sind – das alte Teilzeitargument beim Lohnunterschied also keine Rolle spielen kann. Plus: Frauen und Männer haben beim ersten Job ähnlich wenig Berufserfahrung, Beförderungen oder geschickte Lohnverhandlungen sind auch noch kein Thema. Die Studie zeigt eindrücklich, dass die durchschnittlichen Branchenlöhne sinken, sobald mehr Frauen einen Beruf wählen.

 

Die Studie zeigt auch, dass Frauen selbst in männerdominierten Berufen schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen. Der GPG ist in den technischen und naturwissenschaftlichen Berufen und Studienfeldern mitunter am größten – vor allem in den „Männerbranchen“ Ingenieurwesen und Naturwissenschaften. Ein Bild, das sich auch für Österreich bestätigt.

 

Die Daten des bildungsbezogenen Erwerbskarrierenmonitoring der Statistik Austria zeigen: Bereits eineinhalb Jahre nach einem Master-Abschluss gibt es enorme geschlechtsspezifische Einkommensunterschiede. Insgesamt werden Frauen mit einem Master-, Diplom-, Universitäts-, FH-, oder PH-Abschluss um etwa 13 Prozent schlechter bezahlt als Männer mit demselben Abschluss. Frauen mit Master in der Studienrichtung „Ingenieurwesen, verarbeitendes Gewerbe und Baugewerbe“ erhalten so kurz nach ihrem Abschluss sogar um etwa 18 Prozent weniger als Männer in diesem Studienfeld – und das bei Vollzeiterwerbstätigkeit.

 

Der Education-Gender Pay Gap verschwindet nicht

 

Dem Absolvent:innen-Tracking der Statistik Austria können wir entnehmen, wieviel Gehalt Frauen und Männer drei Jahre nach einem Bachelor- oder Master-Abschluss in bestimmten Studienfeldern bekommen. Drei Jahre nach einem Master-Abschluss liegt der GPG im Studienfeld „Ingenieurwesen, verarbeitendes Gewerbe und Baugewerbe“ immer noch bei 16 Prozent. Auch in der Informatik und Kommunikationstechnologie verdienen Frauen drei Jahre nach einem Master-Abschluss um 10 Prozent weniger als Männer. Der GPG in der Pädagogik wächst in eineinhalb Jahren von drei auf satte zwölf Prozent an. Das deutet darauf hin, dass die überwiegend weiblich dominierte Arbeit in der Pädagogik über die Zeit stärker abgewertet wird, als es noch kurz nach dem Abschluss der Fall ist. 

 

Die ungleiche Bezahlung von Frauen gegenüber Männern reicht sogar so weit, dass eine Frau drei Jahre nach ihrem Master-Abschluss der Studienrichtung „Ingenieurwesen, verarbeitendes Gewerbe und Baugewerbe“ um etwa 11 Prozent weniger bezahlt wird als ein männlicher Absolvent der gleichen Studienrichtung, der lediglich einen Bachelor absolviert hat. Der GPG ist also auch Bildungslevel-übergreifend.

 

Frauen verlieren immer

 

Frauen zu sagen, der Lohnunterschied verschwindet, wenn sie häufiger MINT-Berufe wählen, ist also eine glatte Lüge. In den stark männlich dominierten Berufen gibt es mitunter die größten GPGs. Frauen finden sich also in einer „lose-lose“ Situation wieder: Sind sie in einer „Männerbranche” tätig, werden sie schlechter bezahlt als die dort tätigen Männer. Sind sie in einer „Frauenbranche” tätig, bekommen sie auch weniger, da die Branche weiblich dominiert ist und die weibliche Arbeit abgewertet wird.

 

Die Abwertungstheorie – also die Entwertung weiblicher Arbeit – beginnt schon bei der Lehre: Jene Lehrberufe, die häufiger von Männern ergriffen werden, sind auch wesentlich besser bezahlt. Die Top-Drei Lehrberufe, die am häufigsten von Frauen gewählt werden: Bürokauffrau, Einzelhandel, Friseur:in/Stylist:in. Bei den Männern: Elektrotechnik, Metalltechnik und Kfz-Technik. Ein Blick auf die Einstiegsgehälter in diesen Berufen verrät, wie sich die ungleiche Bezahlung von verschiedenen Lehrberufen im späteren Erwerbsleben fortsetzt: Bereits 18 Monate nach Einstieg in den Arbeitsmarkt sind die Einkommensunterschiede von Frauen und Männern nach einem Lehrabschluss enorm. Weibliche Lehrberuf-Absolvent:innen verdienen etwa 23 Prozent weniger als männliche. Dieser GPG ist mitunter von den deutlich schlechter bezahlten „Frauen-Lehrberufen“ getrieben: Nach Lehrabschluss müssen Friseur:innen oder Stylist:innen mit einem Einstiegsgehalt von rund 1.700 Euro brutto rechnen, Bürokauffrauen/-männer mit etwa 1.900 Euro. Elektrotechniker:innen und Metalltechniker:innen hingegen können Einstiegsgehälter nach Lehrabschluss von etwa 2.500 bis 2.600 Euro brutto erwarten (AMS Gehaltskompass, 2022).

 

Was nun?

 

Die Lösung darf nicht länger lauten „Frauen in die MINT-Berufe“ oder „Vollzeit statt Teilzeit“. Wir wissen, dass Frauen in männerdominierten Branchen mitunter die größte Lohndiskriminierung erfahren. Es braucht daher gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit, vor allem für gleichwertige Arbeit. Der GPG wird nicht wie von Zauberhand verschwinden – veraltete Rollenbilder müssen aufgebrochen und der Wert von Arbeit bzw. der Mehrwert einer Tätigkeit für eine Gesellschaft diskutiert werden. Viele Berufe, die weiblich dominiert und schlecht bezahlt sind, wie etwa die Kinderbetreuung, Pflege oder Reinigung, sind systemerhaltend. Für Lohndiskriminierung braucht es außerdem Intransparenz, daher ist auch eine verpflichtende Lohntransparenz zentral, um die Einkommensgleichheit zu erreichen.


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Katharina Mader ist Chefökonomin am Momentum Institut. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die feministische Ökonomie, unbezahlte Arbeit und Geschlechterungleichheiten.


 



Sophie Achleitner ist Ökonomin am Momentum Institut. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Bildungspolitik und Geschlechterungleichheiten sowie Pensionen und Budgetpolitik.

 

 

 


Bibliografie

  1. Achleitner, Sophie, und Mader, Katharina. 2024. Equal Pay Day 2024: Berufswahl spielt untergeordnete Rolle bei Lohnlücke: Momentum Institut. Online verfügbar unter https://www.momentum-institut.at/news/equal-pay-day-2024-berufswahl-spielt-untergeordnete-rolle-bei-lohnluecke

  2. Geisberger, Tamara, und Glaser, Thomas. 2021. Gender Pay Gap. Analysen zum geschlechtsspezifischen Lohnunterschied: Statistik Austria. Online verfügbar unter https://www.statistik.at/fileadmin/pages/362/VSE2018_GPG_06_2021_126258.pdf

  3. Mader, Katharina. 2023. Gender-Pay-Gap: Mutterschaft spielt untergeordnete Rolle: Momentum Institut. Online verfügbar unter https://www.momentum-institut.at/news/gender-pay-gap-mutterschaft-spielt-untergeordnete-rolle

  4. Ransmayr, Juliane, und Weichselbaumer, Doris. 2022. The role of sex segregation in the gender wage gap among university graduates in Germany: Johannes Kepler University of Linz, Department of Economics, Linz. Online verfügbar unter https://www.econstor.eu/handle/10419/269921

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